Straßburg, Frankreich, 9. April 2024 – Der Verein KlimaSeniorinnen Schweiz, dessen Mitglieder wegen einer Verletzung ihrer Menschenrechte durch ungenügende Klimaziele gegen die Schweiz vorgegangen sind, erringt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen historischen Sieg. 

Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen, sagte: “Dieses Urteil ist nicht nur ein Sieg für uns KlimaSeniorinnen. Unser Sieg ist ein Sieg für alle Generationen. Insbesondere für die portugiesischen Jugendlichen, deren Generation von einem langfristig verbesserten Klimaschutz profitieren wird. Die Anwesenheit der Jugendlichen im Gerichtssaal zeigte den Richter:innen das Gesicht der Menschenrechte für die Zukunft.”

Die Große Kammer des Gerichtshofs hat heute Vormittag im Fall “Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland” (application no. 53600/20) geurteilt, dass die Schweiz die Menschenrechte der älteren Frauen verletzt, weil das Land nicht das Nötige gegen die fortschreitende Klimaerwärmung tut. Konkret stellte das Gericht eine Verletzung von Artikel 8  (Recht auf Privat- und Familienleben) und Artikel 6 (Recht auf ein faires Gerichtsverfahren) fest.

Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass die Klage des Vereins, der derzeit über 2.500 Frauen im Alter von 64 Jahren und älter vertritt, Opferstatus hat. Hingegen urteilte er die Klage der Einzelklägerinnen als unzulässig. Der Gerichtshof befand, dass die Schweiz ihren aufgrund der Klimakonvention entstehenden Verpflichtungen nicht nachgekommen ist und nun ihre aktuellen Klimaziele auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse anpassen muss. 

“Ich bin überwältigt und extrem stolz, dass die Seniorinnen nach neun Jahren intensiver Arbeit nun endlich zu ihrem Recht gekommen sind. Das ist ein unbeschreiblicher Moment”, sagt Cordelia Bähr, leitende Rechtsanwältin der KlimaSeniorinnen. “Die Bedeutung dieses Entscheids ist nicht zu überschätzen. Er wird weltweit für weitere Klimaklagen gegen Staaten wie auch gegen Unternehmen von großer Bedeutung sein und deren Erfolgsaussichten erhöhen. Das Urteil zeigt Bürger:innen, Richter:innen und Regierungen in ganz Europa, was in Sachen Klimaschutz erforderlich ist, um die Menschenrechte einzuhalten.”

Zum ersten Mal hat ein auf Menschenrechte spezialisiertes transnationales Gericht ein Recht auf Klimaschutz direkt bestätigt. In seinem Urteil legt der EGMR konkrete Anforderungen fest, die die Mitgliedstaaten erfüllen müssen, um ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Martina Holbach, Campaignerin bei Greenpeace Luxemburg, kommentierte: “Der Kampf um Klimagerechtigkeit hört in Straßburg nicht auf. Das Urteil ist ein wegweisender Fall für Klimaprozesse auf der ganzen Welt. Alle Europarat-Staaten, darunter auch Luxemburg, können jetzt von ihren Bürger:innen aufgefordert werden, ihre Klimapolitik zur Wahrung der Menschenrechte anhand der vom EGMR erarbeiteten Grundsätze zu überprüfen und nötigenfalls zu verstärken.” 

Notizen:
[1] Erfahren Sie mehr über den Fall in den Mediendokumenten des EGMR und der KlimaSeniorinnen.
[2] Nachfolgend sind die relevanten Dokumente aufgeführt, die von den beiden Verfahrensbeteiligten sowie von Dritten bei der Grossen Kammer für das Verfahren eingereicht wurden: 
– Schriftsatz KlimaSeniorinnen (Bemerkungen zum Sachverhalt, zur Zulässigkeit und zur Begründetheit)
– Schriftsatz der Schweizer Regierung (Stellungnahme in Französisch (Original) und Englisch (inoffizielle Übersetzung) – sowie Stellungnahme zum Sachverhalt in Französisch (Original) und Englisch (inoffizielle Übersetzung)) 
– Streitbeiträge von 23 Drittparteien
[3] Ende März 2023 unterstützten mehrere Mitglieder der Seniors For Climate Luxemburg ihre Schweizer Kolleginnen, die KlimaSeniorinnen, bei der öffentlichen Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg bezüglich der Klage gegen die Schweizer Regierung für ihre klimapolitische Untätigkeit. Die luxemburgische Bewegung wurde von eben diesen Frauen inspiriert und besteht aus einem Dutzend Personen im Alter von über 50 Jahren.