Stellungnahme von Greenpeace Luxemburg zum Koalitionsvertrag 2023 – 2028

Luxemburg, 21. November 2023 – Am vergangenen Donnerstag wurde der Koalitionsvertrag zwischen der CSV und der DP unterzeichnet. In dem 209 Seiten umfassenden Dokument werden die Leitlinien der Regierung für die Jahre 2023-2028 dargelegt. Greenpeace Luxemburg begrüßt die Ambitionen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes, stellt jedoch die Wirksamkeit der geplanten kurz- und langfristigen Maßnahmen in Frage.

Im Koalitionsabkommen wird mehrfach hervorgehoben, dass der gesetzliche Rahmen für den Schutz der Umwelt kompliziert sei, und man ihn daher reformieren wolle. Für Greenpeace steht der Schutz unseres Planeten jedoch an erster Stelle, und für die Erhaltung des Klimas und der biologischen Vielfalt muss daher genügend Zeit eingeräumt werden, selbst wenn dies einschränkend sein sollte In diesem Sinne wird Greenpeace  jegliche Maßnahmen, mit denen der Umweltschutz geschmälert werden soll, aufmerksam verfolgen. Wenn umweltpolitische Maßnahmen von der Allgemeinheit als hinderlich empfunden werden, bedarf es vor allem einer erneuten Aufklärung über die Herausforderungen und ggf. einer Anpassung der Maßnahmen. Dabei darf die Reichweite dieser Handlungen nicht eingeschränkt werden und gleichzeitig müssen benachteiligte Haushalte unterstützt werden. 

Im Folgenden kommentiert Greenpeace Luxemburg einige Themenbereiche des Regierungsabkommens.

Klima

Greenpeace begrüßt die Bereitschaft der Regierung, “[…] ihre Anstrengungen im Kampf gegen die globale Erwärmung zu verstärken und [alle] notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Pariser Abkommen zu erfüllen und die nationalen und europäischen Klimaziele so schnell wie möglich zu erreichen.
Dennoch begnügt sich die Regierung mit unbefriedigenden Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Die im PNEC festgelegten Ziele zur Reduzierung der nationalen Treibhausgasemissionen reichen nicht aus, um die Pariser Zielvorgabe von 1,5°C einzuhalten. Hinzu kommen die derzeit nicht bilanzierten Emissionen, die insbesondere durch die Aktivitäten des Finanzsektors sowie durch den Import von Gütern aus dem Ausland verursacht werden; letztere tragen dazu bei, dass Luxemburg seinen “Erdüberlastungstag” (Overshoot Day) dieses Jahr bereits im Februar erreicht hat.

Die Maßnahmen, die in den nächsten zehn Jahren ergriffen werden, werden entscheidend sein. Greenpeace fordert die Regierung in diesem Sinne auf, sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür zu engagieren, dass die europaweiten Emissionen bis 2030 um mindestens 65% im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Die Europäische Union sollte als reiche Volkswirtschaft, die für einen erheblichen Teil der weltweiten Emissionen verantwortlich ist, bis spätestens 2040 klimaneutral werden.

Wirtschaft

Greenpeace begrüßt, dass die Regierung sich dessen bewusst ist, dass die Wirtschaft dem Gemeinwohl dienen muss und nicht umgekehrt, und dass sie in den kommenden Jahren darauf achten will, dass dieser Grundsatz bei den einzelnen Maßnahmen berücksichtigt wird. Dennoch scheint auch in diesem Koalitionsvertrag das Hauptaugenmerk auf dem Thema Wirtschaftswachstum zu liegen. Im Sinne des Gemeinwohls sollte die Entwicklung von Unternehmen, die einen nachgewiesenen ökologischen und sozialen Nutzen haben, stärker durch steuerliche Maßnahmen und/oder die Anpassung von Beihilfen gefördert werden. Die tatsächliche Umsetzung derartiger Gesetze wird von Greenpeace aufmerksam verfolgt werden.

Das Koalitionsabkommen der Regierung räumt schließlich Steuer- und Abgabensenkungen, insbesondere bei Immobilienwertsteigerungen, eine besondere Bedeutung ein. Angesichts des dringenden Klimaschutzes und der Notwendigkeit sozialer Inklusion ist Greenpeace der Meinung, dass öffentliche Gelder sinnvoller in die Energiewende sowie in den Natur- und Klimaschutz investiert werden sollten.

Nachhaltige Finanzen und Fonds de Compensation

Greenpeace bedauert, dass sich die neue Regierung, ebenso wie ihre Amtsvorgängerinnen, nicht vorrangig dafür einsetzt, den Luxemburger Finanzsektor durch ambitionierte Maßnahmen auf Nachhaltigkeit auszurichten. Als weltweit zweitgrößter Standort für Investmentfonds spielt Luxemburg eine globale Rolle bei der nachhaltigen Ausrichtung von Investmentfonds, insbesondere mit Hinblick auf Klimaschutz und Biodiversität. In ihrer nachhaltigen Finanzpolitik beschränkt sich die neue Regierung auf “interministerielle Bemühungen zur Entwicklung und Förderung des nachhaltigen Finanzwesens in Luxemburg“. Dies soll insbesondere im Rahmen der Luxembourg Sustainable Finance Initiative geschehen, jedoch fehlen ambitiöse  Maßnahmen und  Zielvorgaben, z. B. in Bezug auf die Ausrichtung des Finanzsektors an den Zielen des Pariser Abkommens und die Unterbindung von Greenwashing – ein Phänomen, das in der Branche immer häufiger zu beobachten ist. Darüber hinaus wird die Senkung der Taxe d’abonnement nicht an strenge Nachhaltigkeitskriterien gebunden.

Die Regierung betont im Koalitionsabkommen oft die Vorreiterrolle des Luxemburger Staates, wird dieser aber nicht gerecht, wenn es um nachhaltige Finanzen geht: So wird die Notwendigkeit einer wahrhaft nachhaltigen Ausrichtung der Investitionen des staatlichen Pensionsfonds, dem Fonds de Compensation, im Regierungsabkommen mit keinem Wort erwähnt. Greenpeace fordert von der Regierung eine Garantie, dass der aus den Beiträgen der Privatangestellten gespeiste Fonds nachhaltig ausgerichtet wird, unter anderem durch eine entsprechende Überarbeitung der Gesetzgebung.

Stadt- und Landesplanung

Greenpeace bedauert den Mangel an echtem Willen, die Stadtplanung zu ändern, damit diese auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden: Es wird zwar eine gewisse Begrünung und Verdichtung der Bebauung in Betracht gezogen, allerdings mangelt es an einem konsequenten Umdenken bei der Stadtplanung, was angesichts der Häufigkeit von Hitzewellen dringend notwendig wäre. Hervorzuheben ist der Wille der Regierung, bereits künstlich bebaute Flächen wie Parkplätze oder Parkhäuser für die Installation von Photovoltaikanlagen zu nutzen, wobei es zweifellos noch weiterer Maßnahmen bedarf, um unser Land an die Klimabedingungen einer sich überhitzenden Welt anzupassen. Die Regierungsmitglieder sollten sich von Studien wie Luxembourg in Transition inspirieren lassen, um das Ausmaß der kommenden Herausforderungen zu verstehen. Die wenigen Elemente, die im Koalitionsabkommen enthalten sind, sind in ihrer jetzigen Form nicht ausreichend.

Landwirtschaft

Greenpeace lobt den Ehrgeiz der neuen Regierung, sich für eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Themen einzusetzen. Ihr Ziel ist es, ein nachhaltiges, intelligentes, modernes, widerstandsfähiges und vielfältiges Lebensmittelsystem zu fördern, das die gesamte Lebensmittelkette umfasst, um die regionale Lebensmittelversorgungssicherheit zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein besserer Dialog mit relevanten Interessengruppen unerlässlich. Dabei muss der Zivilgesellschaft, die in den Bereichen Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Soziales aktiv ist, eine bedeutende Funktion eingeräumt werden.

In Luxemburg, einem Weide- und Wiesenland, werden die Milchproduktion und der Fleischsektor weiterhin dominieren, aber das Koalitionsabkommen sieht vor, die Diversifizierung hin zu einer stärker pflanzenbasierten Produktion aktiv zu fördern. Nichtregierungsorganisationen, die im Umweltbereich tätig sind, haben sich seit langem für eine solche Diversifizierung ausgesprochen, insbesondere mit Hinblick auf die Kapazität der verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen. Greenpeace würde ein solches Ziel begrüßen, vorausgesetzt, dass es mit einer Zunahme der ökologischen Landwirtschaft ( durch einen stark verbesserten oder neuen Plan für die biologische Landwirtschaft), einer Verringerung von Pestiziden und chemischen Düngemitteln sowie besseren Perspektiven für die Akteure in der Lebensmittelproduktion verbunden ist. In diesem Zusammenhang fordert die Organisation von der Regierung ein erneutes Verbot von Glyphosat-haltigen Herbiziden sowie, in der Weiterführung der Bemühungen der ehemaligen Regierung und ihrem Engagement auf europäischer Ebene, eine gründliche Prüfung sämtlicher Rechtswege. Dies wäre auch eine gute Gelegenheit, sich für eine nachhaltige Landwirtschaft ohne neue GVOs (ngt) einzusetzen.

Atomkraft

Greenpeace begrüßt die Absicht der Regierung, bei den französischen und belgischen Behörden für die Stilllegung von Atomkraftwerken mit hohen Risiken, insbesondere der Standorte Cattenom, Tihange und Doel, einzutreten. Greenpeace erinnert daran, dass eine erste öffentliche Konsultation zu den allgemeinen Vorschriften für die Laufzeitverlängerung von 1300-MWe-Reaktoren in Frankreich Anfang 2024 beginnen soll. Greenpeace erwartet, dass die neue Regierung sich weiterhin gemeinsam mit anderen Verbündeten wie Österreich und Deutschland gegen die Förderung der Atomkraft und entsprechende Finanzierungsmechanismen (Taxonomie) auf europäischer Ebene einsetzen wird.

Klimagerechtigkeit

Um den Herausforderungen einer instabilen Welt zu begegnen, plant die Regierung die Einführung einer strategischen Agenda, um ihre Politik auf europäischer und internationaler Ebene zu koordinieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierung darin auch das Thema Klimagerechtigkeit einbezieht.  Die Zahl der durch extreme Wetterereignisse und Rohstoffkonflikte auf der Flucht befindlichen Menschen nimmt vor allem in den Ländern des Globalen Südens stark zu, sodass die gesamte internationale Gemeinschaft von diesen Krisen betroffen ist. Die Bemühungen im Bereich Klima- und Umweltschutz im Rahmen  der Entwicklungszusammenarbeit mit Schwellenländern sind ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus, um die Herausforderungen der Klimakrise zu bewältigen. Luxemburg muss seiner Verantwortung gerecht werden und zur Einrichtung des internationalen Fonds für Verluste und Schäden gefährdeter Bevölkerungsgruppen in den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Ländern beitragen und sicherstellen, dass die Mittel bei den Betroffenen ankommen.

Greenpeace hofft, dass die neue Regierung eine transparente und offene Politik gegenüber der Zivilgesellschaft verfolgt und regelmäßige Konsultationen im Bereich Klima- und Umweltschutz und den damit verbundenen Herausforderungen anstrebt.