London/Luxemburg, 14. September 2023 – Eine neue Greenpeace-Analyse über die Bedrohungen für die Meere wurde heute mit dem Titel “30×30: Vom globalen Ozeanvertrag zum Schutz auf See” [1] veröffentlicht. Der Bericht enthält auch einen politischen Fahrplan, wie bis 2023 mit Hilfe des geplanten internationalen Abkommens zum Schutz der Hohen See, 30 % der Ozeane geschützt werden können. Dieses von den Vereinten Nationen beschlossene Übereinkommen wird auf der UN-Generalversammlung am 20. September zur Ratifizierung vorliegen.

Im Vorwort von Professor Callum Roberts, dessen Arbeit die Grundlage für die erste Studie “30×30 Ein Greenpeace-Plan für Meeresschutzgebiete” [2] war, werden die zahlreichen Bedrohungen, denen die Meere ausgesetzt sind, erläutert und eine neue Analyse der Hochseefischerei zwischen 2018 und 2022 vorgestellt. Laut Bericht stiegen die Hochsee-Fangstunden um 8,5 Prozent und in den Gebieten, die im Rahmen des 30×30-Zieles [3] als Schutzgebiete empfohlen wurden, sogar um 22,5 Prozent.

Neben dem Seeverkehr, üben auch die Erwärmung, die Ozeanversauerung, die (Plastik-) Verschmutzung und die drohende Gefahr eines aufstrebenden Tiefseebergbaus einen immer größeren Druck auf die marinen Ökosysteme aus. Diese zunehmenden Belastungen unterstreichen die Dringlichkeit und Wichtigkeit politischer Maßnahmen zur Umsetzung des 30×30-Projekts der Vereinten Nationen, auf das sich die Länder 2022 geeinigt haben.

Chris Thorne, Leiter der Kampagne Ozeane bei Greenpeace International, erklärte: “Das globale Meeresschutzabkommen gehört zu den bedeutendsten internationalen Vereinbarungen für den Naturschutz in der Geschichte, aber wie unser Bericht zeigt, nehmen die Bedrohungen für die Hochsee jeden Tag zu. Der globale Ozeanvertrag ist ein mächtiges Instrument zum Schutz der Ozeane, aber die Regierungen der Vereinten Nationen müssen rasch handeln und den Text dringend ratifizieren, damit genügend Zeit bleibt, um Meeresschutzgebiete einzurichten und der Tiefsee ausreichend Raum zu geben, um sich zu erholen und zu gedeihen.”

Hochsee-Schutzgebiete – vor allem streng und umfassend geschützte Gebiete – sind grundlegend für die Bewältigung der gegenwärtigen Meereskrise. Sie sind ein vor menschlichen zerstörerischen Aktivitäten geschützter sicherer Zufluchtsort und ermöglichen es der Tier- und Pflanzenwelt im Meer, sich zu erholen und zu gedeihen.

Derzeit steht weniger als ein Prozent der Hohen See angemessen unter Schutz. Um das 30×30-Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, müssen jährlich etwa 11 Millionen Quadratkilometer geschützt werden. Das entspricht in etwa der Fläche Kanadas, sprich 3.861 Mal die Fläche Luxemburgs.

Die industrielle Fischerei auf der Hohen See bedroht die Gesundheit der Ozeane und damit auch die unseres gesamten Planeten“, so Chris Thorne. “Damit sich die Weltmeere erholen können, müssen bis 2030 mindestens 30 Prozent der Ozeane durch die Einrichtung von Meeresschutzgebieten geschützt werden. Uns bleiben nur noch sieben Jahre. Länder, die den Schutz der Ozeane ernst nehmen, müssen den Vertrag unbedingt nächste Woche bei der UN-Generalversammlung unterzeichnen und dafür sorgen, dass er bei der UN-Ozeankonferenz 2025 ratifiziert wird. Mit jedem Jahr Verzögerung steigt der Druck auf die Ozeane“.

Im Greenpeace-Bericht werden die Schritte und politischen Maßnahmen erläutert, die zur Einrichtung dieser Meeresschutzgebiete im Rahmen des Abkommens erforderlich sind. So werden drei besonders schützenswerte Gebiete aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung empfohlen: die Emperor Seamounts im Nordwestpazifik, die Sargassosee im Atlantik sowie die südliche Tasmanische See/Lord Howe Rise zwischen Australien und Neuseeland.


Notizen: 

[1] Der volle Bericht 30×30: From Global Ocean Treaty to Protection at Sea ist auf englisch verfügbar. Eine Zusammenfassung ist auf deutsch und französisch verfügbar.

[2] 30×30: A Blueprint For Ocean Protection ist das Ergebnis einer einjährigen Zusammenarbeit zwischen Akademiker:innen der University of York, der University of Oxford und Greenpeace. Der Bericht wurde im April 2019 veröffentlicht und ist hier verfügbar.

[3] Die Untersuchungen ergaben einen Anstieg von 8,5 Prozent der Stunden (d.h. 662.483 Stunden), in denen auf hoher See gefischt wurde, zwischen 2018 (7.825.411 Stunden) und 2022 (8.487.894 Stunden). Ein stärkerer Anstieg der sichtbaren Fischerei-Aktivitäten von 22,5 Prozent wurde in den Gebieten festgestellt, deren Schutz im Rahmen der 30×30-Initiative empfohlen wird.
Diese Analyse wurde in Zusammenarbeit mit Global Fishing Watches durchgeführt und verwendet deren Methodik zur Schätzung der Fangstunden anhand von AIS-Daten.
– 2019 veröffentlichte Greenpeace in dem Bericht “30×30: A Blueprint for Ocean Protection” einen neuen Ansatz, um ein Netzwerk von vollständig geschützten Meeresgebieten zu planen und zu errichten: Forscher und Forscherinnen teilten die internationalen Gewässer – die fast die Hälfte der Erde bedecken – in 25.000 Quadrate von 100 km x 100 km ein, kartierten dann die Verteilung von 458 verschiedenen Erhaltungsmerkmalen, einschließlich der Tierwelt, der Lebensräume und anderer ozeanographischer Schlüsselmerkmale, und erzeugten so Hunderte von Szenarien, wie ein weltweites Netzwerk von Meeresschutzgebieten aussehen könnte, das frei von schädlichen menschlichen Aktivitäten ist.
– Die Recherchen von Greenpeace ermöglichten die Erstellung einer neuen, öffentlich zugänglichen interaktiven Karte, die zeigt, welchen Druck die Menschheit auf die Hohe See ausübt, welche Gebiete zum Schutz empfohlen werden und den  Status der Vertragsratifizierung aller Länder.
– Die Daten werden Journalist:innen auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
– Der Vertrag wird am 20. September 2023 auf der Jahrestagung der Staats- und Regierungschefs aus aller Welt in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Unterzeichnung vorgelegt. Die Unterzeichnung des Vertrags durch die einzelnen Staaten erfordert keinen rechtlichen Prozess in der nationalen Gesetzgebung, sondern signalisiert lediglich die Absicht, den Vertrag in Zukunft zu ratifizieren. Die anschließende Ratifizierung erfordert eine entsprechende nationale Gesetzgebung im jeweiligen Land, und bei 60 erfolgreichen Ratifizierungen wird der Vertrag rechtsverbindlich.
– Alle von den Fallstudien abgedeckten Gebiete sind im Rahmen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Artenvielfalt als Gebiete von ökologischer und biologischer Bedeutung anerkannt.