Luxemburg, 12. Juli 2023 – Anlässlich der Parlamentswahlen im Oktober 2023 hat heute eine Koalition aus sechs Organisationen der luxemburgischen Zivilgesellschaft1 ihre wichtigsten Forderungen für einen nachhaltigeren Finanzsektor vorgestellt. Die nächste Regierung muss den Finanzsektor an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens ausrichten und sozialen Aspekten und Menschenrechten mehr Aufmerksamkeit schenken. Die sechs Organisationen rufen die politischen Entscheidungsträger dazu auf, geeignete Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Finanzströme in die Unternehmen zu lenken, die zu einer globalen, nachhaltigen Wirtschaftstransformation beitragen.

Das Fazit der sechs Organisationen ist eindeutig: Der luxemburgische Finanzsektor ist weit davon entfernt, nachhaltig zu sein, und unverbindliche Absichtserklärungen führen nicht dazu, dass sich die Praktiken der Finanzakteure grundlegend ändern. Zwar wird der europäische Rechtsrahmen im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft weiterentwickelt, aber bestehende Regelungen wie die Taxonomie oder die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) weisen entscheidende Lücken und Mängel auf, die behoben werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

“Die nächste Regierung muss sich auf europäischer Ebene für einen ehrgeizigen
Rechtsrahmen für nachhaltige Finanzen einsetzen”, so Jean-Louis Zeien, Generalsekretär der Commission Justice et Paix. “Der Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit ist eine hervorragende Gelegenheit für die Regierung, ihr Engagement für eine wirksame und an internationale Standards angepasste Gesetzgebung, in die der Finanzsektor voll integriert ist, zu beweisen.”

Obwohl ein Konsens darüber besteht, dass die Menschheit die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren muss, um die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen nicht zu gefährden, bleibt es in Luxemburg und in der EU schwierig, die Finanzströme in eine wirtschaftliche Entwicklung zu lenken, die mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar ist.

“Es ist dringend notwendig, auf europäischer Ebene einen verbindlichen Rechtsrahmen zu schaffen, damit der gesamte Finanzsektor die Ziele des Pariser Abkommens einhält”, sagt Martina Holbach, Campaignerin für nachhaltige Finanzen bei Greenpeace Luxemburg. “Wir fordern eine Verpflichtung für den Finanzsektor, Investitionen in fossile Energieunternehmen und solche, deren Geschäftsmodelle nicht am Pariser Abkommen ausgerichtet sind, schrittweise zu beenden. Die Regierung muss in diesem Sinne klare kurz-, mittel- und langfristige Ziele beschliessen.”

Angesichts der unzureichenden europäischen Gesetzgebung im Bereich nachhaltige Finanzen nehmen die Praktiken des Green- und Social Washing immer mehr zu. Labels, Marketingkampagnen und ESG-Strategien – den Finanzakteuren fehlt es nicht an Fantasie, um sich ein “nachhaltiges” Image zu verschaffen. Der aktuelle Rechtsrahmen legt nämlich keine Mindestkriterien für nachhaltiges Investieren fest, u.a. in Bezug auf positive Impakte auf die Realwirtschaft.

“Ohne ehrgeizige und kohärente Kriterien wird es weiterhin möglich sein, dass ein
Finanzprodukt als nachhaltig bezeichnet werden darf, selbst wenn es das nicht ist”,
stellt Martina Holbach fest. “Das ist besorgniserregend, denn Green und Social Washing kann zum Vertrauensverlust seitens der AnlegerInnen und KonsumentInnen und zu einem Rückzug von Investoren aus einer nachhaltigen Finanzwirtschaft führen.”

Während Luxemburg oft dazu neigt, “Lösungen” auf europäischer Ebene zu bevorzugen, hat die nächste Regierung die Möglichkeit, ohne große Verzögerung bestimmte Maßnahmen umzusetzen, um seinen Finanzsektor nachhaltiger zu gestalten. Das fängt bei seinen eigenen Unternehmen und Institutionen an: Der Staat hält Beteiligungen an mehreren Akteuren des Finanzsektors, die eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft spielen. “Der Staat muss sicherstellen, dass seine eigenen Unternehmen, die zum Finanzsektor gehören, die Einhaltung internationaler Klima-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards vollständig und unverzüglich gewährleisten”, erklärt Antoniya Argirova, Advocacy Koordinatorin bei ASTM. “Eine der Prioritäten der zukünftigen Regierung muss die Überarbeitung des per Gesetz definierten Mandats des Pensionsfonds sein. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Sozialversicherungsbeiträge der Privatangestellten in Luxemburg weiterhin in Unternehmen investiert werden, die für den Planeten und die Menschen gefährlich sind.”

Die nächste Regierung muss sich auch dringend mit der Frage der Finanzbildung befassen. Bisher wurden nur vereinzelte Initiativen, hauptsächlich von den Finanzakteuren selbst, ins Leben gerufen, um Privatpersonen Finanzwissen zu vermitteln. Diesen Initiativen mangelt es jedoch an einer kritischen Betrachtungsweise, u.a. konzentrieren sie sich ausschließlich auf die Thematik der finanziellen Rendite. “Die zukünftige Regierung sollte alternative Angebote im Bereich der Finanzbildung fördern, einschließlich solcher, die eine kritische Perspektive auf den Finanzsektor vermitteln”, sagt Julian Bernstein, Koordinator von etika. “In diesem Zusammenhang kommt der CSSF eine Schlüsselrolle zu: Die Regulierungsbehörde sollte ihre nationale Strategie zur Vermittlung von Finanzwissen überarbeiten und dabei alle interessierten Interessengruppen in die Überlegungen einbeziehen.”

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Entscheidungsprozessen im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft ist derzeit sehr eingeschränkt. Dabei könnte das Anhören und Berücksichtigen der Argumente der Zivilgesellschaft dazu beitragen, die Unternehmensführung im Finanzsektor wieder auf das Gemeinwohl auszurichten und die negativen Auswirkungen der Finanzwirtschaft zu beseitigen.

Kontakt :

Antoniya Argirova, ASTM, +352 661303133
Julian Bernstein, etika, +352 400 427 62
Martina Holbach, Greenpeace Luxembourg, +352 621233362
Sébastian Weier, Cercle de coopération des ONGD, +352 26 02 09 22
Jean-Louis Zeien, secrétaire général Justice et Paix, +352 621 180 105