Luxemburg, 22. Mai 2023 – Greenpeace Luxemburg legt im Rahmen der vom Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung organisierten länderübergreifenden Konsultation zur Laufzeitverlängerung der Atomreaktoren Doel 4 und Tihange 3 in Belgien einen formellen Einspruch gegen das Vorhaben ein.

Greenpeace Luxemburg veröffentlichte heute die Ergebnisse einer unabhängigen, in Auftrag gegebenen Analyse [1] der Unterlagen, die von den belgischen Behörden im Rahmen der öffentlichen Konsultation veröffentlicht wurden. Die Untersuchung zeigt in mehreren Bereichen Lücken auf, sei es bei der Einleitung sowie dem Verfahren des Projekts, der Entsorgung von Atommüll, möglichen Alternativen oder den Gefahren durch Naturereignisse.

Die Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 weisen ebenfalls Schwächen im Langzeitbetrieb auf. Das Sicherheitskonzept dieser beiden Reaktoren ist im Vergleich zu aktuellen  Sicherheitsanforderungen und Regelwerken veraltet. Insgesamt wird im Bericht unmissverständlich deutlich, dass Abstriche an den Sicherheitsanforderungen für die Laufzeitverlängerung gemacht werden sollen, was automatisch zur  Erhöhung des Risikos führt. 

Das wichtigste Sicherheitsziel für neue AKWs ist der Ausschluss von Kernschmelzunfällen mit frühen  und hohen Freisetzungen. Diese Sicherheitsanforderung wurde bisher für Doel-4 und Tihange-3 nicht  erfüllt. Dieses grundlegende Sicherheitsziel muss von neuen AKWs erfüllt werden. Bei bestehenden  Anlagen hingegen wird zugestanden, dass eine Umsetzung der Anforderungen eventuell nicht  „vernünftig machbar“ sei. Es bleibt damit die Aufgabe der Aufsichtsbehörde zu prüfen, inwieweit  vorgesehene Maßnahmen zur Erfüllung der Anforderungen an den erforderlichen Schutz der  Bevölkerung ausreichend sind.

„Die Bevölkerung und die Politik haben ein Recht darauf zu erfahren,  welche Defizite Doel-4 und Tihange-3 im Vergleich zu den aktuellen Sicherheitsanforderungen aufweisen. Des Weiteren sollten sie Informationen erhalten, welche Nachrüstungen technisch  möglich wären, aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen sollen“, erklärt Roger Spautz von Greenpeace.

Die in den UVP-Unterlagen berechneten Unfälle (Auslegungsstörfälle und auslegungsüberschreitender  Unfall) können dazu führen, dass in Belgien Interventionsmaßnahmen wie der Verbleib im Innenraum  oder die Gabe von Kaliumiodidtabletten angeordnet werden müssen. Es muss aber berücksichtigt werden, dass diese berechneten Unfälle keinesfalls die schwerstmöglichen  Unfälle sind. Im Rahmen des Projekts flexRISK wurde beispielsweise für beide Reaktoren ein möglicher Unfall berechnet. Die  Ergebnisse zeigen, dass weite Teile von Europa kontaminiert werden könnten.

Die grenzüberschreitenden Auswirkungen für einen schweren Unfall sollten im UVP-Verfahren  berechnet werden, und zwar unabhängig von der ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeit, solange  dieser physikalisch möglich ist, um das Risiko zu verdeutlichen. Die Ergebnisse im Projekt flexRisk ermittelten massive Auswirkungen eines derartigen Unfalls für Belgien und Europa.

„Die eingereichten Unterlagen sind nicht vollständig“, schlussfolgert Roger Spautz. „Die größten Risiken wurden ausgelassen. Zudem findet die Konsultation zu einem Zeitpunkt statt, an dem die belgische Regierung und der Betreiber Engie noch über die Modalitäten der Umsetzung des Ausbaus verhandeln und gleichzeitig die Sicherheitsstandards auf den Prüfstand gestellt werden.“


Anmerkungen: 
[1] Die gesamte Analyse ist auf Deutsch und Englisch verfügbar, sowie eine Zusammenfassung auf Französisch.