Die Nachfrage nach möglichen CO₂-Kompensationen steigt: Selbst Fluggesellschaften machen mit. Handelt es sich dabei also um ein wirksames Instrument zur Eindämmung der globalen Erwärmung oder doch nur um eine PR-Masche?

1. CO₂-Ausgleich, was ist das?

Die Idee der CO₂-Kompensation ist recht simpel: eine Privatperson, ein Unternehmen oder eine Institution kann seinen CO₂-Ausstoß, verursacht durch emissionsintensive Aktivitäten, dank unterschiedlicher Projekte kompensieren.

Das bedeutet ein Unternehmen (eine Privatperson, oder eine Institution) kann sogenannte “Emissionsminderungsgutschriften” kaufen und somit ein Projekt finanzieren, das Treibhausgasemissionen reduzieren oder ausgleichen soll – zum Beispiel ein Projekt zum Pflanzen von Bäumen im Vietnam. Mit diesen Gutschriften kann ein Unternehmen Klimaschutzprojekte in Höhe des von ihnen verursachten Treibhausgasausstoßes unterstützen und so die entsprechende Menge an CO₂-Emissionen ausgleichen.

2. Es ist und bleibt Greenwashing

Im Grunde werden Unternehmen also dazu ermutigt, ihre Emissionen zu kompensieren, anstatt sie zu reduzieren. Anstatt das eigene Geschäftsmodell oder die eigenen Aktivitäten zu hinterfragen und auf diese Weise wirklich etwas zum Klimaschutz beizutragen, spendet ein Unternehmen einen (kleinen) Teil seines Gewinns an “umweltfreundliche” Projekte, um sich selbst zu rehabilitieren und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit umzulenken. In Wahrheit handelt es sich hierbei, wie so oft, um nichts anderes als Greenwashing.

3. Der große Verlierer: die südlichen Staaten


Wie immer sind es die Ärmsten, die für die Reichsten einbüßen müssen. Projekte, die “dank” des CO2-Ausgleichs entstehen, gehen oft auf Kosten von Entwicklungsländern und haben weitreichende Folgen für Biodiversität (Anpflanzung nicht einheimischer Baumarten, Monokulturen…) und Menschenrechte (Enteignung, keine Einbeziehung der lokalen Bevölkerung).

Einem Oxfam-Bericht zufolge könnte der rasante Anstieg der “Netto-Null-Emissionen”-Verpflichtungen die Nachfrage nach Land um ein Vielfaches erhöhen und nicht nur zu Massenvertreibungen führen, sondern auch die Ernährungssicherheit vieler Menschen gefährden. Derselbe Bericht schätzt, dass die Gesamtfläche, die zur Kohlenstoffbindung benötigt wird, fünfmal größer sein könnte als die Fläche Indiens.

Länder mit niedrigem Einkommen, die nicht nur die ersten Opfer der globalen Erwärmung sind, sondern auch am wenigsten dazu beitragen, zahlen also den Preis für die Aktivitäten der am stärksten industrialisierten Länder. Ein Problem der Ethik und der Klimagerechtigkeit.

4. Ist das Pflanzen von Bäumen die wirksamste Form der CO₂-Kompensation?


Bäume pflanzen, Aufforstung, Forstwirtschaft – solche Projekte werden oft als Mittel zur Reduzierung oder Bindung von Kohlenstoff angepriesen. Dabei ist das Pflanzen von Bäumen, die wohl bekannteste Möglichkeit zur Kompensation von CO₂-Emissionen, äußerst fragwürdig. Zunächst einmal brauchen die gepflanzten Bäume Jahrzehnte, bis sie ausgewachsen sind und tatsächlich einen Ausgleich schaffen können. Vorausgesetzt, die Bäume sterben nicht vorzeitig ab (z. B. durch Brände, Überschwemmungen oder Dürren) und schaffen es tatsächlich, den Kohlenstoff wie ursprünglich geplant zu binden.

Darüber hinaus bestehen auch weitere Risiken bei dieser Art von Vorhaben. Die biologische Vielfalt könnte durch die Anpflanzung von Bäumen beeinträchtigt werden (durch die Veränderung eines Ökosystems in eine Baumplantage, die oft aus Monokulturen besteht).

Letztendlich ist es sehr schwierig, den durch die eine oder andere Maßnahme “kompensierten” Kohlenstoff genau zu beziffern. Wie soll es ohne akkurate Analysen möglich sein, die tatsächlichen Auswirkungen des Kohlenstoffausgleichs auf das Klima zu messen?

5. CO₂-Emissionen alleine sind nicht das Problem


Leider genügt es nicht, die klimaschädlichen Aktivitäten einer Organisation oder eines Unternehmens nur auf ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Umweltschädliche Unternehmen stoßen nicht nur Treibhausgase aus, sie gefährden darüber hinaus unsere Umwelt, indem sie Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen, verdrängen oder zerstören. Sie schaden der biologischen Artenvielfalt, indem sie Tier- und Pflanzenarten in Mitleidenschaft ziehen, bedrohen unsere Gesundheit und die Menschenrechte.

Trotz CO₂-Ausgleich wird dem Klima weiterhin Schaden zugefügt. Am Ende ist es also nichts außer ein schlechtes Alibi, um die realen Gefahren zu verschleiern, die mit klimaschädlichen Aktivitäten einhergehen. 

6. Reduzieren nicht Kompensieren

Obwohl der IPCC (Weltklimarat) die Bindung und Speicherung von Kohlenstoff als unerlässlich für die Eindämmung der globalen Erwärmung bewertet, darf diese Tatsache nicht als Einladung verstanden werden, immer mehr zu produzieren.

CO₂ staut sich in der Atmosphäre an, und selbstverständlich müssen die bereits freigesetzten Treibhausgase kompensiert werden. Wir haben allerdings nicht die Wahl zwischen Reduzieren und Kompensieren: Um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und die im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Ziele zu erreichen, bedarf es beidem.

Großkonzerne und Institutionen müssen von unseren Regierungen umgehend zur Umsetzung konkreter Reduktionsziele für ihre Treibhausgasemissionen verpflichtet werden (und dies nicht nur durch oberflächliche Kohlenstoffgutschriften). Nicht ein einziger Euro darf mehr in die Hände von umweltverschmutzenden Unternehmen fließen. Es geht um unser Überleben.

Der Energie-, Wirtschafts- und Sozialwandel unserer Konsumgesellschaft darf nicht länger auf sich warten lassen. Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kann nicht von Dauer sein.