In Zeiten des Klimawandels und der Energiekrise wird Atomkraft oft als “Lösung” angepriesen, da es sich um eine sogenannte kohlenstofffreie Energie handelt, die kein CO2 (einen der Hauptverursacher der globalen Erwärmung) ausstößt. Die Europäische Union bekräftigt diese Idee, indem sie die Atomkraft in ihre Taxonomie, ein Regelwerk für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, aufnimmt.

Dennoch ist die Atomenergie nicht die Rettung des Klimas.

1. Eine nicht allzu zuverlässige Branche

Die Befürworter:innen der Atomkraft betonen immer wieder, dass einer der Hauptvorteile dieser CO2-freien Energie darin besteht, dass sie das ganze Jahr über und rund um die Uhr betrieben werden und dementsprechend Energie erzeugen kann. Aber ist das tatsächlich zutreffend?

Es sind vor allemdie Mängel des französischen Atomparksmit seinen häufigen Ausfällen – wie erst kürzlich in Cattenom – und die Schlechtwetter Risiken (plötzlich auftretende Hitzewellen, wodurch nicht ausreichend Wasser zur Kühlung der Brennstoffe zur Verfügung steht), die unser Nachbarland dazu zwingen, Kohle insbesondere aus Deutschland, zu importieren und zu verbrennen.

Zuverlässigkeit sieht anders aus.

2. Zu teuer und zu langsam verfügbar

15 bis 20 Jahre: So lange dauert die Planungs- und Bauzeit eines Atomreaktors. Viel zu lang, um der Dringlichkeit der Klimakrise angemessen entgegenzuwirken.

Die Kalkulationen der Kosten für den Bau neuer Reaktoren haben sich als absolut unrealistisch erwiesen. In England, Finnland, China und Frankreich sind die Ausgaben geradezu explosionsartig in die Höhe geschossen: Der EPR in Flamanville (Frankreich) ist das beste Beispiel dafür: Seine tatsächlichen Gesamtkosten werden auf über 19 Milliarden Euro geschätzt, fast sechsmal so viel wie erwartet.

3. Eine von Russland abhängige Industrie

Angefangen beim Abbau des Urans über den Bau der Kraftwerke und sogar deren Betreibung bis hin zur Abfallentsorgung arbeitet die französische Atomindustrie, die gerne mit ihrer energiepolitischen Unabhängigkeit prahlt, sehr eng mit ihrem russischen Pendant zusammen.

Zum Importstopp von russischem Gas aufzurufen und gleichzeitig die enge Partnerschaft zwischen den beiden Industrieländern zu verschweigen, ist bestenfalls heuchlerisch. Denn trotz der Invasion in der Ukraine scheint es Frankreich nicht eilig zu haben, seine Zusammenarbeit mit dem russischen Angreifer zu beenden.

4. Eine saubere Energiequelle? Naja…

Ja, es stimmt: Atomkraft stößt nur sehr wenig CO2 aus.

Allerdings werden im Gegenzug bei der Stromerzeugung durch Atomenergie alleine in Frankreich jedes Jahr nicht weniger als 23 000 m3 Abfall erzeugt, wovon ein Teil für Tausende von Jahren hochradioaktiv bleiben wird.

Aber das ist noch nicht alles. Jedes Jahr werden in Frankreich etwa 1200 Tonnen abgebrannte Brennelemente, die von den ofiziellen Behörden nicht als “Abfall” verbucht werden, in den Kühlbecken neben den Reaktoren aufbewahrt, da sie als “wiederverwertbar” gelten. Nichtamtlicher Abfall, der sich in 63 französischen Atombecken ansammelt!

Es werden die Kindeskinder unserer Kinder sein, die es zur Aufgabe haben werden, unseren radioaktiven Müll zu entsorgen. Atomkraft ist nicht ungefährlich für die Umwelt. Sie kann nicht als saubere Energie angesehen werden.

5. Das atomare Sicherheitsrisiko…

Die russische Invasion hat uns erneut mit ihren Attacken auf ukrainische Kraftwerke deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich Atomkraft ist.

Tschernobyl und Fukushima sind zwei nur allzu konkrete Beispiele für die Katastrophen, die die Atomkraft auslösen kann, sei es aufgrund interner Faktoren (Fahrlässigkeit, Material) oder externen Faktoren (extreme Wetterereignisse, Krieg…).

Es gibt kein Null-Risiko und zudem altern die nuklearen Anlagen. Dies gilt insbesondere für Cattenom: das Atomkraftwerk wird bald seine Altersgrenze von 40 Jahren erreichen. Dennoch plant EDF, die Laufzeitdauer zu verlängern, wobei im Falle eines großen Zwischenfalls ganz Luxemburg leiden müsste.

Jetzt ernsthaft, Atomkraft ist nicht die Lösung für die Klimakrise. Nicht einmal annähernd.

In den letzten Jahren spielt die Nukleartechnologie auf globaler Ebene immer weniger eine Rolle bei der Erzeugung von Strom.

Im Jahr 2020 haben die gewonnenen erneuerbaren Energien, hauptsächlich aus Wind, Sonne und Biomasse, Atomkraftwerke bei der weltweiten Stromerzeugung überholt. Wasserkraft allein hat während des größten Teils der letzten drei Jahrzehnte mehr Strom erzeugt als die Kernkraft.

Zum ersten Mal wurde in der EU mehr Strom aus erneuerbaren Energien (ausgenommen Wasserkraft) erzeugt als aus Atomenergie, und erneuerbare Energien, einschließlich Wasserkraft, erzeugten mehr Strom als alle fossilen Brennstoffe zusammengenommen.

Der Nettozuwachs an nuklearer Kapazität (berechnet durch das Subtrahieren von Neuinbetriebnahmen abzüglich der Stilllegungen von Kraftwerken) fiel auf 0,4 GW, gegenüber +250 GW allein bei den erneuerbaren Energien. Somit ist die Atomindustrie auf dem aktuellen Markt für den Ausbau von neuen Erzeugungskapazitäten irrelevant geworden.

Die Atomindustrie setzt auf das Klimaschutz-Argument, um ihr eigenes Überleben zu sichern, nicht das des Planeten. Diese Trugbilder sind besorgniserregend, weil sie uns dazu verleiten könnten, das Wesentliche aus den Augen zu lassen: Um der Klimadringlichkeit zu begegnen, brauchen wir einen Systemwandel, keine veraltete Technologie.